Sammlungen Freilichtmuseum Finsterau
Eier glühend gekocht
"Geschundene" Glaseier aus dem Bayerischen Wald
Man muss sich schon etwas Zeit nehmen, um die Glaseier, die in früheren Zeiten – und auch heute wieder – im Bayerischen Wald aus dem glühenden Rohglas gefertigt wurden, in ihrer ganzen Schönheit zu begreifen: Fast ein meditatives Gefühl befällt den aufmerksamen Betrachter wenn er sich auf diesen kleinen wunderbaren Kosmos einlässt. Unglaublich fein und regelmäßig, manchmal sogar in sich gedreht und verschlungen, sind die farbigen Bänder, die in den transparenten Glaskörper eingearbeitet sind. Wie bei einem 3D-Bild schimmert ein blauer Hintergrund durch, der zugleich die Grenze zum hohlen Innenraum des Eis markiert. Ohne tieferes Verständnis für Geheimnisse der Glastechnik wirkt es wie ein kleines Wunder, wie es ein einzelner Glasbläser mit rein handwerklichen Methoden fertig bringt, solche Farben- und Formenkompositionen zu erzeugen.
Das war aber nicht immer so. Die Entstehungsgeschichte dieser Tradition des „Eierschindens“ ist sehr schlicht und geht auf eine ganz und gar praktische Motivation zurück. Der ursprüngliche Sinn hinter den gläsernen Eiern war es, eine möglichst perfekte „Fälschung“ von echten Eiern zu schaffen, um die Hühner übers Ohr zu hauen, ihnen dieses „Kuckucksei“ unterzujubeln und ihnen weiß zu machen, sie hätten selbst schon ein Ei gelegt. Das sollte sie zum Brüten und „Dazulegen“ animieren, also die Eierproduktion anheizen, was bei der damals üblichen Selbstversorgung überaus wünschenswert war – so vermutet es der Volkskundler Reinhard Haller. Mit der Zeit fing man an, diese sog. Bilg-Eier, also die „Beileg-Eier“, immer schöner und kunstvoller zu gestalten und sie statt ins Hühnernest doch lieber in die Vitrine zu legen.
Um 1890 wurde die Produktion dieser eierförmigen Kunstwerke in den Glashütten des bayerischen Waldes populär – eigentlich gar nicht so sehr bei den Glashütten selbst, sondern bei den dort beschäftigten Glasmachern, denn das Herstellen der Eier war reine Privatsache. An Feiertagen, in der Pause oder nach Arbeitsende durfte man zum Eigenbedarf Glas „schinden“ und dafür Geräte, Rohmaterial und Farben aus der Fabrik verwenden. Besonders Lehrlinge konnten an den Glaseiern sämtliche Techniken der Glasmacherkunst ausprobieren und einstudieren, aber auch geübte Meister zeigten hier ganzes Können. Die Eier gab es dann für die Kleinen zusammen mit dem Osternest und auch bei der Angebeteten konnte man mit einem besonders schön „geschundenen“ Ei punkten. Bei Gefallen wurde diese Zuneigungsbekundung dann mit einem echten, gefärbten Osterei erwidert. Nach dem 2. Weltkrieg ging diese Tradition, wie viele andere auch, sehr rasch verloren. Eher zufällig wurde sie in den 1980er Jahren wieder von einzelnen Glasmachern zu neuem Leben erweckt und fand von dort Eingang in die Kunstszene, wo heute mit edelsten Materialien und feinster Technik gefertigte Ostereier aus Glas Preise von einigen hundert Euro erzielen.
Unsere drei Eier waren nicht ganz so teuer, wurden dafür aber in der traditionellen Technik von einem erfahrenen Glasbläser gefertigt und im Zuge der Ausstellung „Liebhaberstücke – Eier und Ostereier aus Glas“ im Frühjahr 2010 für das Museum angekauft. Sie stammen von Fritz Mathe aus Zwiesel, einem der ersten, der die Tradition des „Eierschindens“ wieder aufgegriffen hat.
Ostereier aus Glas, Inv.–Nr.: F 2010/136, F 2010/137, F 2010/138
Text: Philipp Herzog, Fotos: Bildarchiv Freilichtmuseum Finsterau; Sammlung Dr. Reinhard Haller