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Sammlungen Freilichtmuseum Massing

Hübsch aufbewahrt

Vorratsbehälter im alten Stil

GefäßeSchon immer hatten die mit der Essenszubereitung Betrauten für die Ingredienzien ihrer Kreationen eigene Behältnisse. Vor Beginn des Kunststoff-Zeitalters und dessen variantenreicher, meist schrill-farbiger Produktpalette waren dies bedeckelte Gefäße wie die obigen. Sie wurden aber auch aus verzinntem, lackiertem oder emailliertem Blech, aus Glas, oder, noch edler, aus Porzellan hergestellt. In den meisten Haushalten fanden sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts jedoch solche aus mehr oder weniger verziertem Steingut. Das war billig und einfach zu verarbeiten, in der Regel industriell, damit kostengünstig und attraktiv sowie obendrein je nach Zeitgeschmack in Form, Farbe und Dekor schnell abzuwandeln.

Zur exakten Unterscheidung der uniformen Behältnisse - Ordnung soll ja insbesondere in der Küche herrschen – verpasste man jedem eine individuelle „Signatur“. Recht augenfällig prangte daher die entsprechende Bezeichnung des Beinhalteten auf der Sichtseite. Je nach Finanzkraft und Anspruch des Haushalts ließen sich Küchenborde, Büffets und Schränke mit unterschiedlich umfangreichen Ensembles größerer und kleinerer Vorratsdosen bestücken. So konnten ganze Bataillone in Reih und Glied antreten. Nebenbei unterstrichen sie ganz unaufdringlich den Anspruch des Küchenvorstands.

GefäßeAus kulturgeschichtlicher Sicht eröffnen sich da gleich mehrere interessante Betrachtungsweisen. Nehmen wir bloß die Beschriftungen: Mühelos ermöglichen sie einen ausgedehnten Streifzug durch den typischen Kolonialwarenladen unserer (Ur)Großeltern: „Pfeffer“, „Muskat“, „Zim(m)t“, „Vanille“, „Nelken“, „Kümmel“ oder schlicht „Gewürz“ liest man da. Allerweltszutaten wie „Salz“, „Zucker“, „Mehl“, „Gries“ und „Reis“ sind natürlich ebenfalls vertreten. Aber auch „Kaffee“ und „Kakao“ finden sich häufig – allesamt damals offen sowie en gros und en detail zu erwerben. Seltsamer muten Bezeichnungen wie „Sago“ oder eben „Gerste“ an. Sie sind heute auf Grund eines grundlegend veränderten Nahrungsverhaltens so gut wie ausgestorben.

Auch die Kunst kam an besagten Objekten zu ihrem Recht – trotz oder gerade wegen ihres Massenproduktcharakters. Streng sachliche, verspielt beschwingte oder üppig ausladende Gefäßformen und Sichtflächendekors spiegeln den jeweils präferierten Stil einer Epoche wider, sei es Historismus, Jugendstil oder Art déco. Entsprechend verweisen die Buchstaben in Antiqua, Kursive oder Fraktur zeittypisch auf den Inhalt. Produktionsverfahren wie das Spritzen über Schablonen waren der industriellen Fertigung geschuldet; Handbemalung blieb edleren Stücken vorbehalten. Mit üppigem Dekor ließen sich jedoch materielle Defizite leicht ausgleichen.

Der Fairneß unserer Zeit gegenüber sei hinzugefügt, dass es um Dichtigkeit und Elastizität der beschriebenen Behältnisse schlecht bestellt war: Fehlende Gummilippen ermöglichten dem Ungeziefer relativ leichten Zugang zu den Pretiosen der Küche. Unsanfter Umgang mit der Keramik wurde oft von der mit Bruch und damit Verlust des Objekts quittiert. Die Urenkelgeneration aus den Reihen von Tupperware, Curver und Co. hat durchaus ihre unbestreitbaren Vorzüge...

Übrigens: Gerste verwendeten die Köchinnen damals keineswegs für hausinterne Brauversuche. Sie kreierten damit sättigende Suppen.

Vorratsbehälter, Inv.-Nr.: M 2004/305.1 bis M 2004/305.5

Text: Ernst Höntze; Photos: Hans Eichinger