Sammlungen Freilichtmuseum Massing
Firstreiter mit Geschichte
Der Dachziegel des Valentino Cramero
Tausende von „Ziegelpatschern“ sind einmal aus dem Friaul nach Niederbayern gekommen, um in Ziegeleien und bei großen Bauern Ziegel zu schlagen und zu brennen. Im Frühsommer kamen sie in ganzen Trupps über die Alpen, im Herbst zogen sie wieder in ihre Heimat, wo währenddessen Frauen, Kinder und Alte die kleinen Landwirtschaften betrieben.
Die "furlanischen" Arbeitskräfte waren bekannt für ihre Sorgfalt und Unermüdlichkeit. Das handwerkliche Ziegelschlagen war harte Arbeit im Akkord. "Geh zum Teufel!" hieß deshalb in Friaul "Gott soll dich zum Ziegeln schicken!" – "Dio ti mandi su la fornâs!".
Kaum einer dieser Arbeiter ist heute noch bekannt, nur einer wird nicht vergessen, er hat auf einem irdenen handgeschlagenen Firstreiter seinen Namen eingraviert: „Cramero Valentino di Torlano 27.9.1910“. Sein Bruder Antonio, mit dem er als junger Mann in der „compagnia“ eines Onkels zusammenarbeitete, lebte bis zu seinem Tod im Jahr 1947 in Niederbayern, verheiratet mit einer Baumeisterstochter aus Tettenweis. Ein Photo von 1921 zeigt ihn stolz mit der Hand am Jackenrevers in seiner Ziegelei in Ruhstorf.
Valentino kehrte jeden Winter in die Heimat zurück, in feinem Anzug mit Krawatte ließ er sich dort in einem Photoatelier porträtieren. 1936 kam er bei einem Arbeitsunfall in einer Ziegelei in Ichenhausen ums Leben.
Die Brüder Cramero waren keine einfachen Ziegelpatscher, sie waren Ziegelmeister, "capuzat". Sie konnten schreiben und lesen, beherrschten ihr Handwerk – und sprachen deutsch. Um genau zu sein: Sie sprachen bairisch, wenn sie sich nicht ihres heimischen Furlàn bedienten oder italienisch redeten.
Firstziegel („Firstreiter“) für Falzziegeldeckung, Inv. Nr.: M 1999/032.2
Text: Martin Ortmeier, Fotos: Hans Eichinger, Archiv des Freilichtmuseums Massing