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Sammlungen Freilichtmuseum Massing

Wo gehobelt wird ...

...fallen Späne, heißt es. Auch mit Hilfe dieses Geräts. Doch geschieht es hier weder im herkömmlichen noch im übertragenen Sinn.

KrauthobelVielmehr produzierten unsere Altvorderen damit ein wichtiges Lebensmittel, sozusagen aus Gemüsespänen. Aber hallo! Wie geht denn so was? Und wo findet man das heute noch?

Vermutlich kaum mehr. Vielleicht im Rahmenprogramm eines bäuerlich angehauchten Dorfmarktes, als Promotion-Element einer Ernährungsberatungsagentur oder als interaktiver Event für Kinder, z.B. in der Erlebnisgastronomie. Denn im Zeitalter von Konserven, Gefrierkost und fast food hat es unsereiner nicht mehr nötig, seinen Nahrungsvorrat so aufwendig zuzubereiten. Längst hat ja auch diesen Bereich die Industrie vereinnahmt. Darüber hinaus führten nicht zuletzt die inzwischen obligatorischen Vitaminimporte aus südlichen Gefilden während der nördlichen Kaltzeit schnell zum Aussterben just dieses Werkzeugs. Und damit auch zum Verlust der Kenntnis um die Verarbeitung heimischer Grundnahrungsmittel, die Jahrhunderte lang die Basis menschlichen Winterfutters bildeten.

KrauthobelFolglich ist dieser Dinosaurier unter den Küchengeräten nur noch in Ausnahmefällen und/oder in besonderen Reservaten anzutreffenden. Dort fristet er nicht selten und eigentlich zu unrecht ein Schattendasein: häufig arg verstaubt oder wurmzerfressen abgelegt in Vitrinen oder in ein Kammereck verbannt. In freier Wildbahn dagegen spürt man ihn hierzulande kaum noch auf. Freilicht- und Heimatmuseen werden solche Rückzugsgebiete genannt, meist sorgsam gehegt und gepflegt von einer kleinen aber feinen Mannschaft engagierter Spezialisten.

Dieser mächtige Krauthobel aus Rüster (Ulmenholz) und Ahornholz wurde im Jahre 1886 hergestellt. Uns nachgeborenen Betrachtern beeindruckt der auffallend akkurat in das Halbrund des rechten Brettendes geschnittene Name „Ph. Wölfl“, der außerdem noch eine Vierpass-Rosette in der Mitte umschließt. Unterstreicht das den Wert des verzierten Objekts? Zeigt es die Wertschätzung der oder des Beschenkten? Oder legt es Zeugnis ab von der Hingabe des Erschaffers zu seinem Werk? Leider lässt sich dazu nichts mehr klären. „Typisch gute alte Zeit..“ wird angesichts dessen der eine oder andere Betrachter unseres so fortschrittlich-abgeklärten 21. Jahrhunderts dann vielleicht sagen. „Damals hatte man halt noch Muße für solche Spielereien!“ Gleichermaßen bewiesen die Alten dadurch aber auch ein ausgeprägtes Gespür für stimmige Formen, Schönheit im Detail und unaufdringliche Zierde an eigentlich banalen Gebrauchsgegenständen.

Wie verfuhr man nun mit so einem Gerät? Welchem Zweck diente es?

Wie der Name schon sagt, hobelte man damit Kraut. Genauer gesagt, man machte aus ganzen Krautköpfen schmale Krautstreifen indem man sie in den beweglichen Holzrahmen legte und immer wieder über die fünf, sechs oder sieben scharfen, schräg im Boden des Hobels eingelassenen Messer schob. Also ein Gemüsehobel im Großformat.. Danach wurden die so fabrizierten Krautstreifen lagenweise eingestampft, d. h. meist von penibel gesäuberten Kinderfüßen durch beständiges Treten in großen Tongefäßen unter Zugabe von reichlich Salz und Gewürzen verdichtet und verpresst. Abgedeckt mit einem Tuch und einem steinbeschwerten Brett reifte das auf diese Weise eingemachte Weißkraut unter Luftabschluss innerhalb einiger Wochen durch die einsetzende Milchsäuregärung zu mehr oder weniger schmackhaftem Sauerkraut heran. Wenn es dann von Feld und Garten kein frisches Gemüse und Obst mehr gab, konnten unsere Vorfahren auf ihr „Eingemachtes“ zurückgreifen. Sie besaßen in diesem Fall auch einen idealen Vitamin-C-Spender.

Inv.-Nr. M 2003/098

Text: Ernst Höntze; Fotos: Hans Eichinger