Sammlungen Freilichtmuseum Finsterau
Gutes Rad ist teuer …
518 km sind es von Gevelsberg in Westfalen bis Finsterau. Dort, weit ab vom Bayerischen Wald, wurde unser „Schürhoff-Compakt“ in den 1950er Jahren von geübten Fabriksarbeitern zusammengesetzt.
Obwohl mit „Extra Prima“ bereift, hat es diesen Weg wohl nicht auf dem eigenen Gummiprofil zurückgelegt. Die Strecke aber, die hier in der Gegend um Finsterau im Laufe der Jahre unter diesen Felgen durchgerollt ist bevor es 1994 ins Museum kam, reicht für einen halben Erdball allemal aus.
Bevor nach dem Krieg Moped und Auto zunehmend Fuß fassten, war es das Rad, das weitgehend deren Aufgaben zu erfüllen hatte: Personen und Waren transportierte es zum und vom Markt, zum Arzt oder zum Amt, Menschen zu ihren neuen Arbeitsplätzen in den aufstrebenden Fabriken nachdem in der Landwirtschaft immer weniger Hände gebraucht wurden und der im Vergleich geringe Verdienst diese Arbeit ohnedies unattraktiv werden ließ.
Aber auch der Alltag am Bauernhof selbst änderte sich durch das Rad: Knechte und Mägde mussten nicht länger direkt am Hof wohnen, sondern konnten nun täglich mit dem Rad „zupendeln“. Die traditionelle Arbeits- und Lebensgemeinschaft der Bauernfamilie mit ihren Dienstleuten begann zu bröckeln, durchaus nicht immer zum Bedauern letzterer, die so dem strengen und zuweilen auch ungerechten Blick des Dienstherrn für einige Stunden entfliehen konnten.
Das Rad war aber mehr als reine Technik, die es den Menschen auf dem Land erlaubte, den Radius ihres Wirkungskreises zu erweitern, es war auch Statussymbol. Bis in die 1930er hinein haftete dem Rad ein Hauch von Urbanität und sportlich-modernem Lebensstil an, den man nur allzu gern zur Schau stellte. Trotzdem war es in erster Linie ein wichtiger Gebrauchsgegenstand, der das Leben am Land erheblich erleichterte.
Im Verkaufprospekt heißt es da: „Original-Schürhoff-Fahrräder sind wirkliche Gebrauchsräder.“
Gebraucht wurde unser Rad zweifellos, das sieht man: Die Reifen sind spröde und brüchig, die Pedale glattgeschliffen vom stetigen Tritt. Die Mechanik aber ist in bester Ordnung und wurde gut gepflegt, wie es sich für einen Gegenstand von Wert gehört.
Alles in allem war das schon ein tolles und nützliches Ding für seinen vormaligen Besitzer und auch heute wäre so mancher (wieder) neidisch ob dieser schlichten Eleganz in Schwarz – aber wir geben’s nicht mehr her.
Fahrrad „Schürhoff Compakt“, Inv.–Nr.: F 1997/121
Text: Philipp Herzog, Fotos: Philipp Herzog, Archiv des Freilichtmuseums Finsterau