Sammlungen Freilichtmuseum Massing
Seine Promillenz, der Herr Graf, lassen bitten zum Trunk
Sammelobjekt Bierflasche
Zuerst waren sie grün, später wurden sie braun. Wer dabei an Gurken, Walnüsse oder gar an wetterwendische Politiker denkt, liegt zwar so verkehrt nicht - oder ist, nur im letzteren Fall natürlich, ein subtil denkender Schelm. Gemeint ist hier aber trotzdem keines der drei Beispiele, denn es geht, ganz banal und ohne doppelbödige Gedanken, um die Farbe von industriell erzeugten Biertransportgefäßen aus Glas. Und in der ansonsten so gesichtslos-anonymen Masse derartiger Objekte soll eines ganz besonders betrachtet werden, das fast schon edel und hier geradezu geadelt ist: Im Museumsdepot findet sich unter den zahlreichen Vertretern der Spezies nämlich auch ein Halblitergefäß der einstmals gräflichen Schlossbrauerei Altfraunhofen. Der Ort liegt im übrigen einige Kilometer südlich der niederbayerischen Metropole Landshut.
Auf Grund ihrer auffallend schönen Beschriftung hebt sich die genannte Flasche besonders vom üblicherweise eher uniformen Meer der Artgenossinnen ab. Adel verpflichtete eben schon immer, früher sogar auf diesem Niveau.
War für den Konsumenten bereits das Flaschenäußere ein Genuss, konnte davon ausgegangen werden, dass auch - und darauf kam es ja letzten Endes an - der Inhalt der Bouteille den menschlichen Geschmacksrezeptoren vergleichbare Freude bereiten würde. Zumindest könnte dies das Kalkül der einstigen Brauereibetreiber gewesen sein, die ihren Designer entsprechend instruierten. Oder war das Ganze „nur“ die damals gängige Praxis, nämlich dem Kunden grundsätzlich, selbst bei 08/15-Objekten, optische Gefälligkeit, gepaart mit Liebe zum Detail, ja zur Kunst zu bieten? Und das ohne Aufpreis! Wer weiß?
Jedenfalls lässt sich das heute natürlich ebenso schlecht nachprüfen wie die Frage nach dem Geschmack des einst umschlossenen Getränks. Sind der Gerstensaft und vielleicht schon seine Geburtsstätte, also die Brauerei, längst nicht mehr unter uns, so zeugt bis heute die einst mit beiden verbandelte Flasche von der Existenz beider - und nebenbei auch von der einstigen Vielfalt am Firmament bajuwarischer Braukunst.
Die Mutation vom alltäglichen Gebrauchsgegenstand früherer Zeiten zum Sammelobjekt unserer Tage ist übrigens ein Charakteristikum vieler „Antiquitäten“. Insbesondere solcher, die ein Freilichtmuseum verwahrt.
Zwar ist uns der Marktwert des hier herausgegriffenen Objekts nicht bekannt. Doch allein die aufwendig, ja fast prunkvoll gestaltete Sichtseite der Flasche zwingt einen schon fast zum Aufheben – zumindest aber zu einer genaueren Betrachtung. Und für Insider ist sie sicherlich ein wertsteigerndes Argument.
Einst sollte mit diesem Design wohl die Qualität und der hohe Anspruch des Getränks und damit letztlich der Brauerei zum Ausdruck gebracht werden. Man beachte nur die akkurate, erhabene Schrift oder das gräfliche Wappen unter der Grafenkrone – von der Machart her lauter solide Vorläufer der später benutzten, schnell vergänglichen Papieretiketten. Der bei solchen Flaschen seinerzeit übliche Zusatzverweis auf die Eigentumsrechte des Herstellers, aber auch der handfeste Bügelverschluss mit dem Porzellanstöpsel bringen nebenbei Umwelt-, Wirtschafts- oder Produktionsaspekte von damals ins Spiel. „Alles schon einmal da gewesen“, könnte man sagen, wenn auch unter anderen Vorzeichen.
Warum irgendwann die Glasfarbe von Grün auf Braun wechselte, um den Flascheninhalt wirksam vor Licht und damit vor dem Verderb zu schützen, ist allerdings nicht bekannt. Oder wissen Sie’s?
Bierflasche, Inv.-Nr.: M 2004/167
Text: Ernst Höntze M.A., Foto: Hans Eichinger