Ein neues Gebäude im Freilichtmuseum Massing
Die Görgenmannsölde aus Kleinbettenrain
Im Freilichtmuseum Massing wurde ein typisches Hafneranwesen aus dem Kröning wiederaufgebaut und neu belebt
Es war ein spektakulärer Umzug vom 30 km entfernten Kleinbettenrain nach Massing. Das Hafneranwesen wurde Bauteil für Bauteil abgetragen und verfrachtet. Zwei Bauteile hatten es in sich: Das in Blockbau ausgeführte Obergeschoss des Wohnbereichs wurde in zwei Stücke zerlegt. Zwei Schwertransporter brachten die beiden Teile ins Museum. Nun steht das Gebäude wiederaufgebaut im Freilichtmuseum und macht hier ein bedeutendes Stück Wirtschafts- und Sozialgeschichte Niederbayerns in lebendiger Weise anschaulich.

[Abb. Translozierung; Bildtext: Abtransport eines der im Ganzen übertragenen Teile der Görgenmannsölde. Bildarchiv Niederbayerische Freilichtmuseen, Foto: Martin Ortmeier]
Typisch für ein Hafneranwesen ist die großzügige Stube, die gleichzeitig als Wohnraum und Werkstatt diente. Die Ausstattung dieses Raumes wurde rekonstruiert, von den beiden Arbeitsplätzen mit den Drehscheiben über die Glasurmühle und der Tongrube bis zum Esstisch und dem Sesselofen. In etwa so wie nun im Museum dürfte es in der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Werkstattstube der Görgenmannsölde ausgesehen haben. Kurz darauf wurde das Hafnerhandwerk, das hier über mehr als drei Jahrhunderte ausgeübt wurde, eingestellt. Museumsbesucherinnen und -besucher bekommen mittels eines historischen Films einen Eindruck von den Arbeitsschritten der alten Hafnerei, vom Herrichten des Tons bis zum Brand.

[Abb. Werkstattstube; Bildtext: Das um 1914 entstandene Foto zeigt eine Situation, wie man sie sich auch in der Stube der Görgenmannsölde vorstellen kann. Meister und Lehrling arbeiten an der Scheibe, rechterhand jeweils ein Topf zum Wässern und ein Schmutzfangbrett zum Abstreifen des Tons. Am Boden ein Haufen Ton, auf Brettern fertig gedrehte Töpfe. Unter der Decke in Tragebalken eingeschobene Bohlen dienen als Lagerfläche zum Trocknen der geformten und bereits verzierten Ware, bevor sie gebrannt wurde. Das Bild zeigt die Hafnerwerkstatt Vohburger aus Nirschlkofen (Gde. Adlkofen). Bildarchiv Niederbayerische Freilichtmuseen, Foto: Gerhard Menay]
Rekonstruiert werden musste auch die an die Werkstattstube angrenzende Brennkuchl. Hier steht nun wieder ein mächtiger Brennofen, der zwar funktionsfähig gebaut ist, aber aus Sicherheitsgründen nicht befeuert wird. Dafür kann man beim Rundgang einen Blick in den großen, mit Hafnerware bestückten Brennraum werfen. Für die richtige Handhabung des Brennofens brauchte es große Erfahrung. Nach dem Vermauern der Brennkammer wurde die Keramik bei Temperaturen von 800 bis 950 °C gebrannt. Die Branddauer, also die Zeit vom Anheizen bis zum Schließen der Schür, betrug gut 30 Stunden. Dann ließ man den Ofen langsam abkühlen.
Riesige Mengen an Brennholz mussten beschafft und gelagert werden: Jeder Brand verschlang etwa sechs Ster Scheiterholz, und die Hafner heizten ihre Brennöfen 12 bis 15 Mal pro Jahr an. Die Hafner betrieben zur Selbstversorgung nebenher Landwirtschaft. Deswegen gibt es auf der Görgenmannsölde auch Stall, Tenne und Heuboden, die mitsamt dem Wohn- und Arbeitsbereich unter einem Dachfirst liegen. Zu dem kleinen Anwesen gehörten etwa 9 Hektar Grund, die Hälfte davon Ackerfläche, etwa 40 % Wald, der Rest Wiese und Garten. Auf den Äckern wurde Getreide zum Eigenverbrauch angebaut. Die Wiesen lieferten zweimal pro Jahr Heu für die Winterfütterung von einigen Rindern. Der Wald diente nicht nur als Brennholzlieferant, sondern auch als Weidefläche. Therese Winterstetter, die letzte Bewohnerin der Görgenmannsölde, gab die Landwirtschaft 1965 auf und verpachtete den Grund. Aber bereits die Jahrzehnte vorher wurde auf dem Hof wenig verändert und nur das zum Überleben Notwendige getan. Der angebaute Weizen diente fast ausschließlich dem Eigenbedarf. Im Stall standen drei Kühe und ein Zugochse. Ansonsten wurden nur ein bis zwei Ferkel sowie einige Enten und Hühner gehalten.
Das Anwesen hat eine bemerkenswerte Baugeschichte, die genau dokumentiert und für die Ausstellung im Haus leicht verständlich aufbereitet wurde. Die ältesten Bauteile stammen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Wesentliche Umbauten erfolgten 1796, 1839 und 1916. Auch die archäologische Untersuchung brachte Faszinierendes zutage. Im Wohnbereich wurden drei Werkstattbruchgruben ausgegraben, unzählige Scherben konnten geborgen werden. In mühevoller Kleinarbeit wurden etliche Dutzende Gefäße wieder zusammengesetzt. Das Scherbengut und die Gefäße werden nun wohlsortiert in der Görgenmannsölde aufbewahrt. Eine Großvitrine dient als attraktives Schaudepot.

[Abbildungen; Bildtext: Ergrabung einer Werkstattbruchgrube an der Südostecke der Stube. Bildarchiv Niederbayerische Freilichtmuseen, Foto: Josef Lang]
Auch Exotisches kam durch die Ausgrabungen ans Tageslicht: Es handelt sich um fünf Töpfe, die von der Archäologin als Behältnisse für die menschliche Nachgeburt identifiziert wurden. Solche Nachgeburtsbestattungen wurden in Deutschland bereits vielfach durch archäologische Grabungen nachgewiesen. Die zeitgenössische Deutung ging dahin, dass das Neugeborene so vor bösen Kräften oder Geistern geschützt und der Missbrauch der Nachgeburt für magische Zwecke verhindert werden konnten. Die Nachgeburtstöpfe sollten dabei an Stellen vergraben werden, auf die kein Sonnen- oder Mondlicht fiel und die möglichst niemand betreten konnte. Eines der kuriosen Objekte wird nun am belegten Standort im Haus präsentiert.
In das alte Hafneranwesen zieht wieder Leben ein, ganz in der Tradition der alten Sölde aus dem Kröning. Das Konzept dazu wurde in Zusammenarbeit mit der Keramikfachschule in Landshut entwickelt. Im ehemaligen Stall befindet sich jetzt eine neue Hafnerwerkstatt, in der Keramikerinnen arbeiten. Und im Backhaus trat an die Stelle, wo einstmals der Backofen stand, ein ganz besonderer moderner Keramik-Holzbrandofen, ein Bourrybox-Holzbrennofen für Salz/-Sodabrand, der regelmäßig genutzt wird.
Damit wird auf der Görgenmannsölde eine alte regionale Tradition wieder lebendig. Schließlich lässt sich die Kröninger Hafnerei seit etwa 1300 nachweisen. Die Region war eines der bedeutendsten Hafnerzentren Deutschlands. Voraussetzungen waren das noch heute genutzte Tonvorkommen und der Holzreichtum. Auf dem Kröning und an der Bina produzierten zur Blütezeit in der Mitte des 18. Jahrhunderts über 120 Meister hochwertiges Gebrauchsgeschirr in vielfältiger Form- und Farbgebung sowie Ofenkacheln. Um 1800 lag die Jahresproduktion bei einer Million Stück Geschirr. Die Hafnerware wurde in einem Umkreis von mehreren hundert Kilometern vertrieben. Um 1900 verlor das Kröninger Hafnerhandwerk an Bedeutung, sein Ende kam um das Jahr 1930. Konkurrierende Materialien wie Emailleblech und Porzellan haben die traditionelle Irdenware verdrängt. Unter Sammlern ist die Kröninger Hafnerware jedoch sehr begehrt.
Text: Theorie & Praxis, Winfried Helm, Passau
